22/06/2023 0 Kommentare
Sicherheit und Bauträger – Der Treuhänder
Endlich eine umfassende und klarstellende Entscheidung des OGH zur Frage der Sicherung des Erwerbers einer Immobilie nach dem BTVG – Bauträgervertragsgesetz –
OGH 6 Ob 173/18m vom 25.10.2018, ein Auszug aus dieser Entscheidung zeigt deutlich, dass es von großer Bedeutung ist, dass der eingesetzte Treuhänder die genauen Details des Gesetzes kennt und einhält. Das beste Sicherungsmittel neben einem professionellen Treuhänder ist natürlich immer noch der professionelle Bauträger!
2.2. Was das Sicherungsmittel der grundbücherlichen Sicherstellung betrifft, so sieht § 9 Abs 2 BTVG vor, dass bei einem Bauträgervertrag über den Erwerb von Wohnungseigentum die Anmerkung der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG 2002 eine ausreichende bücherliche Sicherstellung des Erwerbers darstellt.
Dies bedeutet aber nicht, dass diese Anmerkung für sich genommen ausreichend ist: Vielmehr stellt sie nur ein Element der Sicherung dar, zu dem zahlreiche weitere, wie insbesondere die Einhaltung des Ratenplans, das Vorliegen der behördlichen Genehmigungen, der Besitz einer zur grundbücherlichen Durchführung des Rechtserwerbs geeigneten Titelurkunde sowie die Sicherstellung der Lastenfreiheit nach § 9 Abs 3 BTVG gehören (Gartner, BTVG4 § 9 Rz 18; Böhm, Die Freistellungsverpflichtung nach § 9 Abs 3 BTVG, immolex 1998, 270; Würth in Rummel, ABGB³ § 9 BTVG Rz 1 f; Prader in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 9 BTVG Rz 1 und 3; Kieweler, Zur Rechtsnatur der Aufsandungserklärung, NZ 2013/110 [265 f]).
Der „erste Euro“ darf also erst ausgezahlt werden, wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind (Böhm, immolex 1998, 270; Kieweler, NZ 2013, 265). Fehlt es auch nur an einer einzigen Voraussetzung, so ist das grundbücherliche Sicherungsmodell nicht verwirklicht, alle Zahlungen des Erwerbers werden nicht fällig (Gartner, BTVG4 § 9 Rz 18).
2.3. Der Treuhänder darf daher Zahlungen ua erst dann weiterleiten, wenn eine durchsetzbare Freistellungsverpflichtung des Hypothekargläubigers (der finanzierenden Bank) vorliegt, die als solche durchsetzbar sein muss, also letztlich den Hypothekargläubiger zur Einwilligung in die Löschung in grundbuchsfähiger Form verpflichtet (5 Ob 193/10h). Beim grundbücherlichen Sicherungsmodell bei beabsichtigter Begründung von Wohnungseigentum hat der Treuhänder daher jedenfalls Erklärungen (einschließlich grundbuchsfähige Löschungserklärungen) jener Pfandgläubiger einzuholen, deren Grundbuchsrang dem Rang der Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG vorangeht (Gartner, BTVG4 § 9 Rz 30 und 38). Der Treuhänder muss vor der ersten Auszahlung einer Rate im Besitz einer derartigen Löschungserklärung der Bauträgerfinanzierungsbank sein, die auch eine Aufsandungsklausel enthält (8 Ob 57/15p; 3 Ob 113/16p).
2.4. Zu den behördlichen Genehmigungen, die daneben vorliegen müssen, gehört nicht nur beispielsweise die Baugenehmigung, sondern alle zur Einverleibung des Erwerbers notwendigen behördlichen Genehmigungen (ErläutRV 312 BlgNR 20. GP 22), wozu auch eine allenfalls erforderliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung zählt (Böhm, immolex 1998, 270; Kieweler, NZ 2013, 266). Was die Baugenehmigung betrifft, kann allerdings gemäß § 10 Abs 3 BTVG die Fälligkeit der ersten Rate – auch ohne Vorliegen einer Baugenehmigung (RIS‑Justiz RS0119704) – bereits vor Baubeginn vereinbart werden, wenn auf Grund des hohen Werts der zu bebauenden Liegenschaft die grundbücherliche Sicherstellung des Erwerbers bereits eine ausreichende Sicherheit bietet.
2.5. Für die beim Modell der grundbücherlichen Sicherstellung vorgesehenen Ratenpläne sieht § 10 BTVG zwei verschiedene Modelle vor, die als Ratenplan A und Ratenplan B bezeichnet werden. Gemäß § 10 Abs 1 und 2 BTVG werden erst nach Abschluss bestimmter Bauabschnitte höchstens die in den gesetzlich definierten Ratenplänen bestimmten Teile des Preises fällig. Da gemäß § 1 Abs 2 BTVG von den Bestimmungen des BTVG zum Nachteil eines Verbrauchers als Erwerber nicht abgewichen werden kann, sind diese Ratenpläne nicht etwa als unverbindliche Vorschläge des Gesetzgebers zu verstehen, sondern zwingend, sodass die gesetzlich definierten Prozentwerte vertraglich nicht höher zugunsten des Bauträgers vereinbart werden können (vgl Gartner, BTVG4 § 10 Rz 40): Mit der Schaffung des BTVG wurde nämlich ein jedenfalls für Verbraucher zwingender Mindeststandard für die Gestaltung des Bauträgervertrags festgelegt (Markl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1 BTVG Rz 1).
2.6. Die vom Gesetz geforderte notwendige Sicherung des Erwerbers liegt auch dann nicht vor, wenn der Treuhänder die vorgegebenen Treuhandkriterien nicht einhält und bloß ein „Sammelanderkonto“ anstatt getrennter Anderkonten für jeden Erwerber verwendet (Prader in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 12 BTVG Rz 13).
2.7. Gemäß § 12 Abs 1 BTVG ist der Bauträger verpflichtet, spätestens bei der Unterfertigung des Bauträgervertrags einen Treuhänder zu bestellen. Der Treuhänder hat gemäß § 12 Abs 3 BTVG „außer den Verpflichtungen aus diesem Bundesgesetz, aus anderen Vorschriften oder aus Vertrag“ insbesondere die Pflicht, die Erfüllung der Sicherungspflicht des Bauträgers zu überwachen und dem Erwerber über die von ihm entgegengenommenen Zahlungen entweder laufend, mindestens aber jährlich nach Abschluss des Kalenderjahrs spätestens zum 31. Jänner des Folgejahrs Rechnung zu legen (§ 12 Abs 3 Z 2 und 3 BTVG). Bei der grundbücherlichen Sicherstellung (§ 9 BTVG) hat der Treuhänder gemäß § 12 Abs 4 BTVG die vertraglichen und grundbuchsrechtlichen Voraussetzungen, insbesondere das Vorhandensein von Freistellungsverpflichtungen der Hypothekargläubiger (§ 9 Abs 3 BTVG), zu prüfen und den Erwerber bei der Einhaltung des Ratenplans durch Überwachung des Baufortschritts zu unterstützen. Konkret hat der Treuhänder daher nicht nur die Überwachung der Erfüllung der Lastenfreistellungsverpflichtung des Bauträgers gemäß § 9 Abs 3 BTVG, sondern auch die Prüfung und Überwachung sicherzustellen, ob die Sicherung, die vom Bauträger angeboten wird, tatsächlich „tauglich“ ist und bleibt (Gartner, BTVG4 § 12 Rz 17).
3.1. Gerade die Verletzung dieser Pflichten macht der Kläger hier geltend: Wenn der Treuhänder Zahlungen vor Fälligkeit weiterleitet, wird er dem Erwerber gegenüber schadenersatzpflichtig (1 Ob 190/12s). Der Schaden des Erwerbers liegt bereits im Verlust der vorgeschriebenen Sicherheit durch Verminderung des Treuhanderlags und tritt nicht erst in dem Zeitpunkt ein, in dem endgültig feststeht, dass die Forderung uneinbringlich ist; dabei ist es unerheblich, ob den vorzeitigen Zahlungen ohnehin ein ausreichender Gegenwert in Form bisher erreichter Bauleistungen gegenübersteht, solange nicht feststeht, dass der Bauträgervertrag endgültig nicht mehr erfüllt werden kann (4 Ob 3/14s).
3.2. Im vorliegenden Fall hat der Zweitbeklagte gegen die Bestimmungen des BTVG in mehrfacher Hinsicht verstoßen: Zum einen weicht der gewählte Ratenplan erheblich von den Modellen des § 10 Abs 2 BTVG ab, weil etwa bei Baubeginn bereits 25 % des Kaufpreises fällig sein sollen, während das Gesetz maximal 15 % vorsieht. Des weiteren führte der Zweitbeklagte lediglich ein Sammelanderkonto, sodass nicht mehr zuordenbar ist, welche Zahlungen an welche Personen in welcher Höhe die Wohnung des Klägers betreffen. Die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum nach § 40 Abs 2 WEG ist im Grundbuch nach der Ranganmerkung für das Pfandrecht zugunsten der finanzierenden Bank einverleibt; während des Zeitraums, in dem der Zweitbeklagte Zahlungen des Klägers an die Handwerker weitergeleitet hat, bestand das Pfandrecht im Range dieser Pfandrechtsrangordnung. Nach den Feststellungen des Erstgerichts lag eine Zusage der Lastenfreistellung im Zeitpunkt der Auszahlung nicht vor. Der Kläger ist bis heute nicht Eigentümer, zumal die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für den Eigentumserwerb noch nicht vorliegt.
3.3. Damit führte bereits der Umstand, dass der Zweitbeklagte eine Auszahlung vornahm, ohne dass die Zusage der Lastenfreistellung vorlag, weiters dass der Ratenplan unzulässigerweise von den gesetzlichen Modellen abwich, sowie schließlich, dass er lediglich ein Sammelanderkonto führte, jeweils für sich dazu, dass nicht ausgezahlt werden durfte. Was zusätzlich die grundverkehrsbehördliche Genehmigung betrifft, so hat das Erstgericht im vorliegenden Fall nur festgestellt, dass die Chancen für eine Genehmigung nach der Verpflichtung des Klägers, die Wohnung nicht selbst zu nützen, nun „deutlich höher“ sind; aufgrund der komplexen Rechtslage kann aber keine sichere Prognose darüber abgegeben werden, ob die Genehmigung tatsächlich erteilt wird.
3.4. Das Argument der Revision, wonach das Gericht selbst zu beurteilen habe, ob die grundverkehrsrechtliche Genehmigung erteilt werde, geht ins Leere: Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, dass die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu erteilen sein wird, würde dies nichts daran ändern, dass im vorliegenden Fall Zahlungen bereits geleistet wurden, obwohl im Auszahlungszeitpunkt noch nicht alle Voraussetzungen für den Eigentumserwerb vorlagen, sodass die Zahlungen damals jedenfalls verfrüht waren. Gerade dies widerspricht aber dem Normzweck des BTVG, das auf den Erwerberschutz ausgerichtet ist.
3.5. Aufgrund der nach wie vor fehlenden grundverkehrsbehördlichen Genehmigung ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach in Wahrheit bis heute gar nicht ausgezahlt werden dürfte, vollkommen zutreffend: Der Kläger ist nach wie vor dem Risiko ausgesetzt, 300.000 EUR für ein Wohnungsobjekt gezahlt zu haben, ohne jemals Eigentümer zu werden, wobei sich das Geld nicht mehr in der Verfügungsmacht des Treuhänders befindet. Genau dieses Risiko zu vermeiden ist aber Sinn und Zweck der Erwerberschutzbestimmungen des BTVG.
3.6. Soweit der Zweitbeklagte darauf verweist, dass Ansprüche auf Zinsen nach § 14 BTVG bereits verjährt seien, ändert das am rechtlichen Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung nichts: Das rechtliche Interesse ergibt sich nämlich nicht aus dem Anspruch auf „Strafzinsen“ nach § 14 BTVG, der sich nicht gegen den Treuhänder richtet (10 Ob 64/17k). Vielmehr ergibt sich dieses daraus, dass nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass dem Kläger vermögensrechtliche Nachteile entstehen, zumal die Erstbeklagte nicht zahlen kann und das Eigentumsrecht des Klägers bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung immer noch nicht einverleibt war und unklar ist, ob er überhaupt jemals Eigentümer wird. Die Sicherungspflicht des Bauträgers endet gemäß § 7 Abs 5 BTVG erst mit Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung. In vergleichbaren Fällen hatte die Rechtsprechung keine Bedenken gegen das Feststellungsinteresse (vgl 5 Ob 193/10h; 1 Ob 190/12s).
Kommentare
Einen Kommentar hinterlassen